Feuerwehren auf dem Land in Personalnot

Tausende Einsatzkräfte fehlen / Erste Gemeinden drohen mit Zwangsdienst

Die Personalengpässe bei Sachsen-Anhalts Feuerwehren werden immer dramatischer. Auf dem Land sind einige Wehren schon längst nicht mehr einsatzfähig.

Von Alexander Walter – VOLKSSTIMME vom 19.12.16

 

Von Alexander Walter – VOLKSSTIMME vom 19.12.16 Magdeburg/Gardelegen l

 

„Wir haben massive Probleme mit der Einsatzbereitschaft“, sagt Sven Rasch.

Er ist Stadtwehrleiter von Gardelegen, der flächenmäßig drittgrößten Stadt Deutschlands. Mehrere freiwillige Wehren in den 49 Ortsteilen könnten im Notfall kaum noch genügend Kräfte aufbieten, sagt Rasch.

Im Dorf Jeggau etwa habe sich die Feuerwehr schon vor Jahren aufgelöst.

Im benachbarten Breitenfeld droht der Truppe wegen fehlender junger Einwohner nun ebenfalls das Aus.

 

Um mehr zu erfahren, bitte den angefügten Links folgen!

 

Kommentar

 

Immer mehr Einsatzkräfte in den Freiwilligen Feuerwehren unseres Bundeslandes hängen ihre Schutzbekleidung an den Haken und legen den Funkalarmempfänger daneben.

So erfolgt in der Regel der „stille Rückzug einer Einsatzkraft aus dem aktiven Dienst!“ aber trotzdem bestünde zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit – ein klärendes Gespräch zu führen um die Gründe, die zu dieser Reaktion führten, doch noch aus der Welt zu schaffen.

Bestehende Probleme innerhalb einer Wehr müssen unbedingt intern besprochen werden.

Sollten wir hier weiter tatenlos zuschauen und die entstehende Negativentwicklung dem Selbstlauf überlassen, wird es in einigen Bereichen irgendwann wirklich keine Feuerwehren mehr geben.

 

Eine funktionierende Freiwillige Feuerwehr basiert auf einer gelebten Kameradschaft innerhalb der Wehr und der Qualität der agierenden Führungskräfte.
Mit der Qualität sind hier nicht die Lehrgangsabschlüsse gemeint, sondern die Akzeptanz der Führungsstruktur durch die Einsatzkräfte.

 

Das ist keine Phrasendrescherei, sondern es sind Erfahrungen, die wir 1989 machen mussten als viele Wehren vor dem Aus standen. Ich kann mich noch gut an die Wendezeit erinnern, als auch viele unserer Kameraden zum Arbeiten in den Westen fuhren und nur noch ab und zu am Wochenende zum Einsatz kommen konnten, um dann irgendwann ganz wegzubleiben.

 

Anfang der 90er war es dann so weit:

 

- Meine Heimatfeuerwehr hätte faktisch abgemeldet werden müssen

- Zum einen waren tagsüber zu wenige einsatzbare Kräfte zu Hause, die ausrücken konnten

- Zum anderen hatte man den älteren Kameraden erklärt, dass man auch gut ohne sie auskommen kann und sie beruhigt zu Hause bleiben könnten

- Doch im Laufe der Zeit hatte sich die jüngere Truppe soweit polarisiert, dass sie sich eigentlich selbst im Wege stand.

- Der damalige Wehrleiter drohte ständig mit seinem Rücktritt

– die Verunsicherung der verbliebenen Kameraden wurde dadurch auch noch größer

- Dann rief uns der Bürgermeister zu sich und nach ein paar Stunden stand es fest: WIR FANGEN NEU an

- Als der Wehrleiter ein paar Tage später wieder beim Bürgermeister anklopfte, um ihm wiederum seinen Rücktritt anzubieten, zog dieser ein Schreiben aus der Schublade und zeigte ihm die Stelle, an der er mit seiner Unterschrift den Rücktritt zeichnen sollte

 

Wir fühlten uns zwar wie die Götter und glaubten, dass der Schulungsraum beim nächsten Dienstabend aus allen Nähten platzen würde.

Doch die Talfahrt der Wehr ging weiter aber wir ließen uns nicht beirren und trafen uns jeden Montag um 19:00 im Feuerwehrhaus – mal zu zweit, mal zu viert – und warteten. Bis dann ein Kamerad an die Tür klopfte und sagte: „Da bin ich wieder, ist mein Haken noch frei?“

 

Das Eis war gebrochen und zur nächsten Jahreshauptversammlung reichten die Stühle nicht aus. Nach 20 Jahren hat ein Generationswechsel stattgefunden und die Einsatzbereitschaft der Wehren, ist wieder ein Problem, dass wir unbedingt lösen müssen.

Und wenn wir mal ganz ehrlich sind und uns mal in unseren Feuerwehrhäusern umschauen, dann kann man hier und da leichte Parallelen zu 1989 / 90 feststellen - Grüppchenbildung, Schwächen bei den Führungskräften – um erstmal nur zwei zu nennen.

 

An diesen Schwachstellen setzen dann Kräfte an, die ihre eigenen Ziele durchsetzen wollen – Ziele, die Primär und auch Sekundär überhaupt nichts mit dem Leitbild der Feuerwehr zu tun haben.

Sollten sie jedoch ihr Ziel erreichen – dann kann das von ihnen erreichte Ergebnis ganz leicht zur Beeinflussung der Einsatzkräfte eingesetzt werden und die Truppe fällt langsam aber sicher auseinander.

Vor diesen Problemen standen wir am Anfang der 90ger Jahre und haben die Sache wieder in den Griff bekommen. Jetzt gibt es mit Sicherheit Leute, die da sagen:

 

„ Ja das war vor 25 Jahren – ganz andere Zeiten - geht heute gar nicht mehr!“

 

Oh doch, das geht heute auch noch – hier nur zwei Feuerwehren als Beispiel angeführt, es gibt mit Sicherheit noch mehr - Feuerwehren mit starken Führungskräften - wo Alt und Jung gemeinsam an einem Tisch sitzen - wie in der FF MD – Olvenstedt oder der FF – Colbitz.

 

In Feuerwehrhäusern, in denen die Kameradschaft regiert und ein WIR – GEFÜHL von den Kameraden nach außen getragen wird, sind alle Haken im Umkleideraum besetzt und an den Tischen ist kein Platz für Wahlkampffeindbilder.

 

Aber es gibt noch Probleme, die außerhalb der Feuerwehrhäuser liegen und für deren Lösung andere Stellen zuständig sind.

Das sind die Kommunen - als Träger des Brandschutzes - auch hier trennt sich mittlerweile die Spreu vom Weizen.

In Gemeinden, in denen der Erhalt der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr in den letzten 20 Jahren wirklich als Kernaufgabe des eigenen Wirkungskreises gesehen wurde und im Haushalt ständig Mittel für die Feuerwehr eingestellt wurden, sind kaum personelle Probleme zu erkennen.

 

Ich kann aber auch mit ruhigem Gewissen behaupten, dass in vielen Kommunen die Verteilung von Haushaltsmitteln nicht zugunsten der Feuerwehr erfolgte und die Kameraden sich regelrecht verarscht fühlen, wenn ein Gemeinderat oder Bürgermeister von der Bedeutung des Ehrenamtes reden.

Aber die Wertschätzung der Arbeit der Kameraden auf der Strecke bleibt.

Ein Feuerwehrmann ist in der Regel genügsam und pflegeleicht aber er lässt sich nicht verarschen. Deshalb hier noch ein kleiner Tip von mir persönlich an alle Abgeordneten:

 

"Überlegt vorher, wenn Ihr über Änderungen im Bereich des Brand - und KatSchutzes zu entscheiden habt und lasst Euch von Leuten beraten, für die das Feuerwehrwesen zum Tagesgeschäft gehört!" 

 

Im Artikel der Volksstimme heißt es, dass einige Gemeinden mit Zwangsmaßnahmen drohen.

Wem wollen Sie eigentlich drohen?

Sich selbst?

 

Weil sie sich nicht mit den Aufgaben nach Brandschutzgesetz beschäftigt haben und jahrelang dringende Investitionen immer wieder verschoben haben um Bürgerhäuser und Sportstätten zu sanieren?

Mit dieser Androhung von Zwangsmaßnahmen wird versucht, dem Land den „Schwarzen Peter“ zuzuschieben.

 

Sehr geehrte Bürgermeister/innen

 

ihr seid hier schlecht beraten, denn auch für die Absicherung der anfallenden Kosten bei der Einführung von Pflichtfeuerwehren bleibt die Zuständigkeit bei den Kommunen und verantwortlich bleibt der/ die Bürgermeister/in.

 

Um hier jedoch noch helfend eingreifen zu können wurde vom Innenministerium die Änderung des BrSchG LSA auf den Weg gebracht.

Der Entwurf liegt vor und wir können mit gutem Gewissen sagen:

 

„Das Signal ist bei den Feuerwehren angekommen. Von einer Durchzündung werden wir jedoch erst reden wenn der Landtag dem Vorschlag des Innenministers – Weiterleitung der Feuerschutzsteuer an die Kommunen zu 100% - aus dem Jahr 2015 zustimmt.

 

Pressemitteilung SGSA

 

Auch die Entwicklung bei den Feuerwehren sorgt die Kommunalpolitiker. „Seit Abschaffung der Wehrpflicht haben sich die Rahmenbedingungen für die Feuerwehren grundlegend verändert“, betonte der SGSA-Präsident. Die Überalterung der Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren habe einen Stand erreicht, der bedrohlich wird. Allein mit einer Erhöhung der Standards im Rahmen der aktuellen Novelle des Brandschutzgesetzes sei es aber nicht getan. „Wir loben zwar überall das Ehrenamt, bauen dann aber Hürden auf, die das Ehrenamt eher erschweren. Wir brauchen eine breit angelegte Kampagne für die Nachwuchsgewinnung in den Feuerwehren, die alle Bereiche der Gesellschaft erfasst“, so Trümper. „Auch die Unternehmen vor Ort dürfen die Feuerwehrkameraden in ihren Reihen nicht als Last empfinden“

 

Sehr geehrte Kameradinnen und Kameraden,

 

diese Pressemitteilung des SGSA lasse ich bewusst unkommentiert.

Ich möchte mich hiermit aber nochmal an alle Kameraden und Kameradinnen wenden, die in der letzten Zeit aus den verschiedensten Gründen die Feuerwehren verlassen haben.

Ich bitte euch nochmals eure Entscheidung zu überdenken und in die Feuerwehrhäuser zurück zu kehren.

Euer Platz ist mit Sicherheit noch frei

 

Denn nach den Ereignissen in Berlin hat die Aufgabe der Rettungskräfte in Deutschland eine völlig neue Dimension erreicht. Um diesen Sachen weiter entgegen wirken und im Bedarfsfall Hilfe leisten zu können, brauchen wir jede Hand.

 

Erich Wasserthal